Barrierefreiheit (Teil 3): Teilhabe am Fahrzeugverkehr

Einleitung

Die Stadt Bremen steht vor einer großen Herausforderung. Sie muss öffentliche Verkehrsräume inklusiv gestalten und dabei eine gleichberechtigte Teilhabe aller Verkehrsteilnehmer und Verkehrsarten ermöglichen. Dies folgt aus der UN-Konvention über die Rechte Behinderter (UN-BRK), die sich in Gesetzen des Bundes und Bremens niedergeschlagen hat (siehe Teil 1). Das Anliegen einer Mobilität für Alle wurde in den letzten hundert Jahren seit der Massenmotorisierung nach dem Ersten Weltkrieg bis ins 21. Jahrhundert  vernachlässigt. Denn das Maß aller Dinge in der Verkehrs- und Stadtplanung war lange Zeit das Automobil, nicht der Mensch mit allen seinen physischen und mentalen Möglichkeiten.

Barrierefreiheit und gleichberechtigte Teilhabe mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln unterstützen dabei grundsätzlich die auch aus ökologischen Gründen nötige Verkehrswende. Denn sie sind wichtige Argumente für eine Verkehrs- und Stadtplanung, die den ausschließlichen Fokus vom motorisierten Individualverkehr auf andere, diversere Formen der Mobilität öffnet. Die Anforderungen an Barrierefreiheit zeigen, dass sparsamer mit dem wertvollen öffentlichen Raum umgegangen werden muss. Dafür reichen einfache technische Lösungen nicht. Denn beim motorisierten Individualverkehr lediglich die Antriebsart auszutauschen, löst die zunehmende Platzknappheit in den Innenstädten und das Problem zugestellter Rad- und Gehwege nicht. Eine menschengerechte Verkehrswende für lebenswerte Städte mit mehr Aufenthaltsqualität braucht mehr Platz und bessere, insbesondere flexiblere und platzsparendere Alternativen zum Automobil.

Andererseits stehen Ziele wie Klimaschutz und die Vermeidung von Lärm und Abgasen in den Städten mitunter auch im Konflikt mit Barrierefreiheit und Teilhabe: Denn manche Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sind für ihre Mobilität auf ein eigenes Auto angewiesen. Gerade  sie könnten aber von der Mobilitätswende profitieren, wenn es gelingt, insgesamt die Zahl und Größe der Kfz zu reduzieren und dadurch Raum für weitere Sonderparkplätze und für mobilitätseingeschänkte Menschen privilegierte Zufahrtsmöglichkeiten zu schaffen.

Die bereits erschienenen zwei Beiträge (Teil 1 und 2) waren einem der drängendsten Probleme der Barrierefreiheit in Bremen gewidmet: Den von Kraftfahrzeugen zugeparkten Gehwegen vor allem in den Wohnvierteln.  Dabei wurde die Rechtslage mit Bezug auf zwei Aspekte erläutert:

  • Einrichtung nicht barrierefreier Parkplätze bei der Straßenplanung (siehe Teil 1); 
  • mangelnde Verfolgung des nicht eigens angeordneten Parkens auf Gehwegen durch die Parkraumüberwachung (siehe Teil 2). 

Im folgenden Beitrag soll es um Barrierefreiheit und gleichberechtigte Teilhabe am Fahrzeugverkehr gehen, also Fahrradverkehr, Kfz-Verkehr und ÖPNV.

Radverkehr und Spezialfahrräder

Fahrradverkehr wird oft nicht mit Personen in Verbindung gebracht, die eine Behinderung haben. Dabei gibt es inzwischen auf dem Markt eine Vielfalt von Spezialfahrrädern, die genau auf diese Bedürfnisse abgestimmt sind. Beispielsweise gibt es die sogenannten Handbikes, die mit Handkurbeln angetrieben werden. 

Erweitert werden die Möglichkeiten von Spezialfahrrädern inzwischen noch durch die Möglichkeit der elektromobilen Unterstützung.

Wie wird ein Spezialfahrrad rechtlich definiert?

Was nach dem deutschen Straßenverkehrsrecht als Fahrrad gilt, ergibt sich aus  § 63a StVZO. Darunter fallen auch beispielsweise die genannten Handbikes. Mit Muskelkraft betriebene Fahrzeuge mit mehr als zwei Rädern gelten dabei auch als Fahrräder im Sinne des Straßenverkehrsrechts. Ebenso gibt es inzwischen verschiedene Modelle von Tandems und Rikschas für Menschen mit Behinderungen. Oft handelt es sich dabei um Dreiräder, so dass sie breiter sind als herkömmliche Fahrräder.

Seit Einführung der sogenannten Pedelecs gibt es auch Fahrräder (oder entsprechend Handfahrräder) mit Elektrohilfsmotor bzw. elektrischer Tretunterstützung. Dafür gibt es technische Anforderungen u.a. darf die Tretunterstützung nur bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h wirksam sein bzw. ist eine Anschiebehilfe, also auch ohne zusätzliches Treten, bis 6 km/h zulässig.

Abgegrenzt wird das Fahrrad von Rollstuhltypen, die typischerweise langsamer, also eher mit Schrittgeschwindigkeit unterwegs sind. Sogenannte Schiebe- und Greifreifenrollstühle werden gemäß § 24 Abs. 1 StVO als “besondere Fortbewegungsmittel” (ähnlich Kinderwagen oder Tretrollern) eingestuft, so dass sie dem Fußgängerverkehr zugeschlagen werden und nach dessen Regeln behandelt werden. Etwas komplizierter ist es mit E-Rollstühlen: Nach § 16 Abs. 2 StVZO sind Rollstühle mit Hilfsantrieb, die baubedingt bis zu 6 km/h fahren können, keine Fahrzeuge. Für sie gilt daher ebenfalls, dass sie auf den Gehwegen fahren sollen.

Allerdings gibt es auch Möglichkeiten, Greifreifenrollstühle mit einem Vorspann-Handbike oder E-Vorspann-Handbike flexibel zu einem Fahrrad im Sinne der StVO zu erweitern. Das heißt, dass Fahrradwege auch für Rollstuhlfahrer:innen benutzbar gemacht werden müssen.

Anforderungen an barrierefreie Radwege

Allgemein macht die Zunahme der Handbikes und sonstiger Spezialfahrräder, darunter auch Lastenfahrrädern, es erforderlich, auch Fahrradwege in Bremen barrierefrei auszugestalten. Dies ergibt sich aus der Bremischen Richtlinie zur barrierefreien Gestaltung baulicher Verkehrsanlagen von 2020 (Abschnitt 5.7).

Aktuell sollen baulich angelegte Radwege laut Verwaltungsvorschrift zur StVO mindestens 1,50 m und möglichst 2,00 m Breite haben (VwV-StVO zu § 2, Rn. 18).  Bei Radfahrstreifen ist mit 1,85 m sogar noch weniger an regulärer Breite vorgesehen (Rn. 19). Ähnlich die Empfehlung für Radverkehrsanlagen (ERA) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen auf die die Bremische Richtlinie zur Barrierefreiheit im Verkehr verweist. Die Empfehlung sieht eine Mindestbreite bei geringem Verkehrsaufkommen von 1,60 m und eine optimale Breite von mindestens 2,00 m vor (ERA 2021, Tabelle 5, S. 16). Bei einem nur auf einer Seite der Straße vorhandenem Zweirichtungsradweg ist eine Mindestbreite von 2,50 m und eine Regelbreite von 3,00 m vorgesehen.

Um auf Fahrradwegen sicher überholen zu können oder auf beidseitig nutzbaren Fahrradwegen sicher aneinander vorbeizukommen, sollte die doppelte Breite der marktüblichen Spezialfahrräder zuzüglich Sicherheitsabstand veranschlagt werden. Typischerweise sind Handbikes zwischen 80 und 90 cm breit. Allerdings dürfen einspurige Räder nach § 32 Abs. 9 Nr. 1 StVZO in entsprechender Anwendung bis 1,00 m breit sein, mehrspurige Spezialräder (also drei oder vierrädrige Fahrräder, z.B. Rikschas) sogar 2,00 m.

Die Barrierefreiheit folgt, wie bereits in einem anderen Beitrag dargestellt, als rechtliches Gebot aus der UN-Behindertenrechtskonvention. In Bremen wurde es in § 8 Abs. 5 Bremer Behindertengleichstellungsgesetz (BremBGG) und in § 10 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz des Bremischen Landesstraßengesetzes (BremLStrG) für die Bereiche Bau und Verkehr ins Landesrecht umgesetzt. Öffentliche Straßen, Plätze und Wege sind daher nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften barrierefrei zu gestalten.

Daher ist darauf zu achten, Fahrradwege breiter als bisher zu planen. Nur dann kann dem erhöhten Aufkommen von Spezialrädern mit Elektrounterstützung sowie Lastenrädern und Elektrorollern Rechnung getragen werden. Die Frage ist allerdings, welche neue Breite Fahrradwegen zugrunde zu legen wäre.

Nach dem Berliner Mobilitätsgesetz sollen Radwege eine ausreichende Breite für das sichere Überholen von Fahrrädern haben. Von Verkehrsplanern wird 1,00 m als Verkehrsraum für einzelne Radfahrer empfohlen, der sich aus der Fahrzeugbreite von 60 cm und seitlich jeweils 20 cm für Pendelbewegungen zum Ausbalancieren zusammensetzt. Hinzu kommt noch ein Sicherheitsraum von jeweils 25 cm zu anderen Fahrradfahrern und zu Fahrbahn bzw. Gehweg (Schimmelpfennig / Hoffmeister /Schulte, VRR 2021, 215-219, 216). Daher müsste ein Fahrradweg zum sicheren Überholen nach einer daran anknüpfenden Berechnung des ADFC Berlin an sich insgesamt 2,50 m Breite haben. Dies ist deutlich breiter, als die bislang in Bremen zugrundegelegten Maße der ERA.

Diese Berechnung dürfte dann auch für die meisten Spezialfahrräder ausreichen, die zwar oft als Drei- oder Vierräder konstruiert sind und daher keinen Spielraum für das Auspendeln des Gleichgewichts brauchen. Sie sind jedoch insgesamt zwar oft viel breiter als herkömmliche Fahrräder und brauchen ähnliche Sicherheitsabstände bei Überholvorgängen.

Die großzügigeren Maße müsste entsprechend auch beim Neubau der Radverkehrsinfrastruktur insgesamt, also auch bei gemeinsamen Geh- und Radwegen, Radfahrstreifen und Schutzstreifen, berücksichtigt werden. Auch bei der Sanierung des Bestands sollten einfache Fahrradwege nicht mehr mit der bisher noch gültigen Mindestbreite von 1,50 m, sondern mit mindestens 2,50 m – eingeplant werden mit entsprechenden Zuschlägen bei Zweirichtungsradwegen oder viel befahrenen Strecken. Dieser erhöhte Platzbedarf des Radverkehrs darf nicht zu Lasten der ohnehin in Bremen viel zu knapp bemessenen Fußverkehrsinfrastruktur gehen. Vielmehr müssen dazu die bisher meist großzügig bemessenen Flächen für den ruhenden Verkehr oder Kfz-Fahrstreifen umgenutzt werden.

Insbesondere Poller und Umlaufschranken

Besondere Aufmerksamkeit verdienen Poller oder Barrieren, sogenannte Umlaufschranken, die in Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur eingebaut werden. Zum einen, um Fußgänger und Fahrradfahrer daran zu hindern, zu schnell auf quer zum Radweg verlaufende Fahrbahnen zu betreten bzw. zu befahren. Zum anderen neuerdings als sogenannte modale Filter, die bei Verkehrsberuhigungsmaßnahmen im Rahmen der Verkehrswende dazu dienen, den Durchgangsverkehr von Kfz zu blockieren.

Diese Poller werden in vielen Fällen selbst wieder zu Hindernissen für Barrierefreiheit. Daher ist, da wo sie zwingend nötig sind, darauf zu achten, dass die Poller nicht zu eng gesetzt werden, so dass mindestens 1,00 bis 1,50 m Platz zur Durchfahrt von Rollstühlen und Handbikes bleiben.

Teilhabe am Kraftfahrzeugverkehr

Eine Verkehrswende hin zu nachhaltiger Mobilität muss auch Teilhaberechte von mobilitätseingeschränkten Autofahrer:innen berücksichtigen. Für die Teilhabe am Kraftfahrzeugverkehr ist es entscheidend, dass ausreichend Sonderparkplätze bereitgestellt werden. Außerdem sollten Zufahrten zu Fußgängerzonen freigehalten werden, um den Zugang für Menschen mit Behinderung zu ermöglichen. Denn mobilitätseingeschränkte Menschen sollten von ihrem Fahrzeug keine weiten und beschwerlichen Wege bis zu ihrem Ziel zurücklegen müssen. Dafür gibt es bereits relativ gut etablierte Regelungen, etwa den blauen EU-Parkausweis. Daher ist das oft zu hörende Argument, dass sich autofreie Innenstädte wegen der Mobilitätsbedürfnisse von Behinderten nicht möglich seien, in vielen Fällen vorgeschoben. Im Gegenteil ist es eher die mangelnde Verfügbarkeit von wohnort- oder zielnahen Parkplätzen, die mobilitätseingeschränkten Autofahrer:innen zu schaffen macht.

Menschen mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (aG), aber auch anderen Behinderungen wie Amelie, Phokomelie oder Blindheit können gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO beim Bremer Amt für Straßen und Verkehr (ASV) eine Ausnahmegenehmigung, den sogenannten blauen EU-Parkausweis beantragen. Voraussetzung für die Anerkennung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung ist, dass sie sich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen können.

Dieser Ausweis berechtigt unter anderem dazu:

  • mit einem Rollstuhlfahrersymbol besonders gekennzeichneten Sonderparkplätzen zu nutzen, 
  • bis zu drei Stunden im eingeschränkten Halteverbot (sog. “Parkverbot”, VZ 286) oder in Bewohnerparkzonen zu parken, 
  • zulässige Parkzeiten zu überschreiten, 
  • Fußgängerzonen mit Ausnahmen für Be- und Entladen zu nutzen, 
  • in verkehrsberuhigten Zonen außerhalb der ausgewiesenen Parkflächen zu parken. 

Zudem können Inhaber des Ausweises auf Antrag auch einen besonders gekennzeichneten personenbezogenen Stellplatz (§ 45 StVO) in unmittelbarer Nähe der Wohnung oder der Arbeitsstätte des Berechtigten im öffentlichen Verkehrsraum reservieren lassen. Insgesamt sollte darauf geachtet werden, ausreichend Sonderparkplätze zur Verfügung zu stellen.

An diesen Möglichkeiten zeigt sich, dass die Reduzierung und Einschränkung der legalen Parkmöglichkeiten für die Fahrzeuge nichtbehinderter Menschen für Menschen mit Behinderungen sehr viel mehr Möglichkeiten bietet. Insgesamt dürfte es für sie leichter werden, nahe gelegene Parkmöglichkeiten zu finden. Es ist daher unzutreffend, dass Beschränkungen des Kfz-Verkehrs prinzipiell zu Lasten von Menschen mit Behinderungen gehen.

Barrierefreier Umweltverbund

Inhaber:innen eines Behindertenausweises mit einem Grad der Behinderung von 50% oder mehr (Schwerbehinderte), können gemäß § 228 SGB IX gegen Vorlage ihres Ausweises den öffentlichen Nahverkehr unentgeltlich nutzen. Eine richtige Hilfe ist das aber nur, wenn der potentiellen Nutzung nicht Barrieren entgegenstehen.

Zwar gelten ab 01.01.2022 für die Barrierefreiheit des ÖPNV überall in Deutschland besondere gesetzliche Anforderungen. Dadurch sind de facto jedoch nicht alle Probleme bereinigt. So gibt es in Bremen und Umgebung weiterhin Haltestellen, die nicht barrierefrei zugänglich sind. Zudem ist es sinnvoll, den Umweltverbund insgesamt in den Blick zu nehmen. Denn zur Mobilität mit dem ÖPNV gehören auch die Haltestellen und die Wege dorthin und zu den jeweiligen Zielen. Zum ÖPNV gehören daher immer auch die Zugänge, da Mobilität umfassend von Haustür zu Haustür gedacht werden muss. Hier ist in Bremen noch einiges zu tun, gerade bei Gehwegen und Haltestellen.

Solange die Barrierefreiheit nicht garantiert ist, sollten zumindest Informationen über barrierefreie Mobilität möglichst unkompliziert und umfassend zugänglich gemacht werden.

Gesetzliche Pflicht zur barrierfreien Nahverkehrsplanung

In wenigen Monaten, am 01.01.2022 soll der gesamte öffentliche Nahverkehr in Deutschland barrierefrei gestaltet werden. Das reicht von der Überwindung der steilen Bahnhofstreppe durch einen Aufzug, Erweiterung eines zu engen Durchgangs, akustische und visuelle Haltestellenansagen, bis zur Kennzeichnung eines gut sichtbaren, aber schlecht zu “begreifende” Türöffnungsmechanismus mit Brailleschrift. Dass vollständige Barrierefreiheit angestrebt wird,  ist seit 2013 sogar rechtlich im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) verankert worden. In § 8 Abs. 3 Satz 3 PBefG steht die  Formulierung:

Der Nahverkehrsplan hat die Belange der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen mit dem Ziel zu berücksichtigen, für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen.

Dass diese Zielvorgabe auf eine etwas gewundene Weise formuliert ist, ist für entsprechende Teilhabe- oder Leistungsansprüche nicht untypisch. Eine genaue Lektüre zeigt, dass die in dem Satz formulierte Pflicht zunächst einmal die Ersteller des Nahverkehrsplans trifft. In den folgenden Sätzen kommen zudem einige Einschränkungen. Zum Beispiel, dass gemäß § 8 Abs. 3 S. 4 PBefG von der Frist abgewichen werden kann. Dafür müssen aber im Nahverkehrsplan Ausnahmen konkret benannt und begründet werden.

Zudem erfordert der Planungsprozess, die vorhandenen Unternehmer frühzeitig zu beteiligen. Angehört werden müssen auch Behindertenbeauftragte oder Behindertenbeiräte, Verbände der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Fahrgäste und Fahrgastverbände. Die jeweiligen Interessen sind im Planungsprozess angemessen und diskriminierungsfrei zu berücksichtigen.

Durch diesen Rechtfertigungsdruck und die starke Einbeziehung von Stimmen, die für Barrierefreiheit sprechen, ist es in den letzten Jahren zu erheblichen Fortschritten gekommen. Zwar gibt es weiterhin Haltestellen und Bahnhöfe, an denen Barrierefreiheit nicht gewährleistet ist, in Bremen etwa die Bahnhöfe Neustadt, Sebaldsbrück und Hemelingen, und im Umland die Bahnhöfe Heidkrug und Dreye. Auch bei den Bussen der BSAG

Vorbild “Route:Able” – Informationen über Barrierefreiheit in Bremen

Solange der ÖPNV und die übrige Verkehrsinfrastruktur noch nicht vollständig barrierefrei ist, sollte es mehr Angebote geben, sich über bereits problemlos nutzbare Routen zu informieren. Zwar gibt es zwar auch jetzt schon vom VBN Informationen zur Barrierefreiheit (siehe https://www.vbn.de/mobilitaet/barrierefreiheit). Bisher müssen sich Nutzer:innen des ÖPNV oder der Straßen und Wege die Informationen dafür an unterschiedlichen Stellen zusammensuchen ohne einen übergreifenden Routenplaner nutzen zu können, wie er aktuell für Baden-Württemberg entwickelt wird (Route:Able).

Fazit

Insgesamt ist Barrierefreiheit im Verkehr ein wichtiges Querschnittsthema, dessen Bedeutung in der Bremer Verkehrspolitik und -verwaltung jedoch erst nach und nach erkannt wird. Die größten Defizite gibt es in Bremen wohl im Bereich Fußverkehr. Denn viele Ältere und Menschen mit Behinderungen sind auf Gehhilfen oder Rollstühle angewiesen. Den Ansprüchen an Barrierefreiheit entsprechen weder die eng und meist widerrechtlich beparkten Gehwege, noch die viele Bremer Fahrbahnen mit grob gepflasterten oder beschädigten Straßenbelägen.  Ähnliches gilt jedoch auch im Bereich der Radverkehrsinfrastruktur, die zunehmend für Spezialfahrräder mit oder ohne E-Hilfsmotor genutzt werden. Auch hier sind im Bestand viele Wege viel zu eng und oft zusätzlich beschädigt.  

Was die Teilhabe am Kfz-Verkehr angeht, stehen ihr die Ziele der Verkehrswende nur bei oberflächlicher Betrachtung entgegen. Tatsächlich würde eine Reduzierung und Einschränkung der legalen Kfz-Parkplätze die Möglichkeiten für Autofahrer:innen mit blauem EU-Parkausweis eher verbessern. Voraussetzung ist, dass genug entsprechende Sonderparkplätze vorgehalten werden. Was den ÖPNV betrifft, ist abzusehen, dass das für den 01.01.2022 gesetzte Ziel einer vollständigen Barrierefreiheit nicht eingehalten werden kann. Um so wichtiger wäre es, für Bremen einen Routenplaner bereitzustellen, der auf die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer:innen Rücksicht nimmt.