Das erste, das einem in der Amsterdamer Innenstadt auffällt ist, dass es dort deutlich weniger Autos als in Bremen gibt. Auf den Straßen sind weniger Autos unterwegs und man sieht auch weniger parkende Autos. Letzteres dürfte auch der Hauptgrund für die geringere Anzahl an Autos in der Stadt sein. Die Parkplätze, die vorhanden sind, sind bewirtschaftet.
Ich habe keine kostenlosen Parkplätze und viel Anwohnerparken wahrgenommen. In vielen Straßen gibt es schlicht gar keine Parkmöglichkeiten. Es gibt zahlreiche kleine Straßen, die nur von FußgängerInnen und RadfahrerInnen benutzt werden dürfen. Poller – oft versenkbar – verhindern das Einfahren von Autos. Die breiteren Straßen sind meistens dreigeteilt. In der Mitte fährt die Straßenbahn, rechts und links sind gleichbreite Spuren für Autos und Fahrräder.
RadfahrerInnen sind verkehrsmäßig in der Überzahl. Es gibt in den Straßen mit Autoverkehr zumeist rote Angebotsstreifen auf der Straße, gleichbreit oder breiter als die Autospur. Protected Lanes habe ich seltener gesehen.
Die AutofahrerInnen fahren deutlich defensiver als bei uns. Insgesamt sind die VerkehrsteilnehmerInnen entspannter. Anhupen oder Anpöbeln habe ich nicht wahrgenommen. Auffallend war, dass es an fast jedem Straßenübergang sowohl Ampeln als auch Zebrastreifen gibt. In Bremen ist das planungsrechtlich nicht zulässig.
Als Problem habe ich die hohe Anzahl von sog. Scootern, Stadtrollern, wahrgenommen. Die fahren relativ schnell und dabei meist auf den Radwegen.
Während Auto- und Radverkehr sich eingerichtet haben und ihre Räume haben, sieht es für FußgängerInnen vergleichsweise schlecht aus. Die Gehwege sind meist sehr schmal und zudem von Fahrrädern, Rollern, Müllsäcken und auch illegal parkenden Autos versperrt, so dass man einen wahren Slalomlauf hinlegen und häufig auf die Straße ausweichen muss.
Es sind nicht so viele Fahrradparkplätze mit der Möglichkeit zum Anschließen vorhanden wie ich erwartet habe, aber man sieht auch nicht so viele hochwertige Räder wie in Bremen. Rote Ampeln werden auch in Amsterdam gerne von den RadfahrerInnen missachtet. Das wird besonders unangenehm an Kreuzungen, wo mehrere Radwege aus verschiedenen Richtungen kommen und man als FußgängerIn ständig Gefahr läuft, mit einem Fahrrad zu kollidieren.
An Straßeneinmündungen ohne Ampel fahren die Radler meist ansatzlos weiter, so dass man sehr aufpassen muss. Auch als RadfahrerIn braucht man sicher eine große Aufmerksamkeit. Bei Dunkelheit sind zudem ca. 90 % der Fietser ohne Licht unterwegs. Ich habe mich noch nie so unsicher als FußgängerIn gefühlt wie in Amsterdam.
Es gibt es dichtes Netz von Straßenbahnen und Bussen. In jeder Straßenbahn sitzt eine Serviceperson in einem kleinen Abteil, die Tickets verkauft und Fragen beantwortet. Das ist sehr kundenfreundlich, aber sicher auch sehr kostenintensiv. Eine Fahrkarte kostet 2,90 €. Mit der kann man eine Stunde lang fahren, wobei man immer wieder elektronisch aus- und einchecken kann, so dass man eine Stunde reine Fahrtzeit zur Verfügung hat.
Mein Fazit: Gerechtere Aufteilung des Verkehrsraums zwischen RadfahrerInnen und AutofahrerInnen. Konsequente Parkraumbewirtschaftung. Das beste Fortbewegungsmittel ist das Fahrrad. Für FußgängerInnen eher schlechte Bedingungen. Die Neuverteilung der Verkehrsflächen zu Gunsten des Fahrrads wurden in Amsterdam auch zu Lasten der FußgängerInnen vorgenommen.
Vielen Dank, Gudrun! Die Schilderung von persönliche Eindrücken ist ungeheuer wichtig für die (Weiter)Entwicklung der Raumaufteilung in den Städten – denn die Politik und die Verwaltung stecken ja leider fest. Deiner Beschreibung von Amsterdam schließe ich mich gut und gerne an. Im Großen und Ganzen ist es eine freundliche (Verkehrs)Atmosphäre. Eben aber auch eine Großstadt, mit Touristen usw. Das orbitale Parkkonzept (je teuerer, je näher an der Innenstadt) lässt sich sehen!
Was du als Angebotsstraifen bezeichnet hast, sind Radfahrstreifen ohne Benutzungspflicht.
Foto der protected bikelane (die wahrscheinlich älter ist als der englische Terminus):
Minibordsteine zwischen Rad- und Gehweg sind gut, damit nicht auf dem Gehweg geradelt wird. Erhabene Fahrbahnmarkierungen, die auf den ersten Blick nicht als Erhaben zu erkennen sind, können hingegen eine erhebliche Sturzgefahr bilden – Beispiel in Aachen
Zebrastreifen als Bodenmarkierung beampelter Fußgängerüberwege:
In den 1950er Jahren war das in Deutschland auch so. Und in Frankreich ist es nach wie vor so.
Wenn es kaum noch Parkplätze für Besucher dre Innnestadt gibt, ist das ein Fortschritt gegenüber Ende des 20. Jh.: Damals hatte man das Zuparken der Innenstadt gerade beendet, aber nach Auskunft meiner damaligen Gastgeber (Fietsen en overnachten) ermunterten zahlreiche von Dauerparkern freigehaltene Plätze viele AMsterdamer, für kurze Erledigungen mit dem Auto in die Stadt zu fahren.
Radverkehr aus allen Richtungen: Es gibt eine verkehrswissenschaftliche Arbeit aus Amsterdam über die Bewältigung der einander kreuzenden gleichzeitigen Fahrrad-Linksabbiegerströme an beampelten T-Kreuzungen.
Gruß
Ulrich
Vielen Dank für die Ergänzungen.