Auch die EU will puschen und pullen

Amsterdam: Vorbild für Push&Pull-Projekt der EU

Das Grundverständnis der von uns bereits beschriebenen Amsterdamer Maßnahmen ist offenbar ein Modell für das Europäische Push&Pull-Projekt, bildlich gesprochen,


Autofreies Parken in Bremen

Zuckerbrot und Peitsche europaweit[1] : Ich nehme Euch was weg, z.B. Gratis-Parkplätze, und gebe Euch dafür etwas zurück, z.B. mehr Straßenbahnen, vernünftige Radwege, sichere Gehwege, kurz: mehr Lebensqualität durch bessere Mobilität.[2]

Im O-Ton: „Das PUSH&PULL-Projekt zielt darauf ab, die Mobilität in europäischen Städten durch Parkraumbewirtschaftung und Mobilitätsmanagement zu verbessern. Durch bezahltes Parken, höhere Parkgebühren, reduziertes Parkplatzangebot oder vergleichbare Maßnahmen werden Autofahrer gedrängt („pushed“), nachhaltigere Transportmittel zu benutzen. Gleichzeitig können die mit der Parkraumbewirtschaftung generierten Einnahmen zur Finanzierung von Alternativen genutzt werden, die die Autofahrer zum Umstieg auf den öffentlichen Personennahverkehr, auf das Zu-Fuß-Gehen, das Radfahren oder andere nachhaltige Mobilitätsoptionen bewegen („pull“).“[3]

Die Hauptziele von PUSH & PULL

  • „Energieeinsparung durch den Umstieg vom Auto auf andere, nachhaltigere Verkehrsmittel
  • Hilfe für die lokale Wirtschaft durch die Förderung von Parkraummanagement und Hinweise an die Kommunen, wie man vermeiden kann, neue Parkplätze auszuweisen, und dadurch Kosteneinsparungen erzielt
  • Unterstützung von Befürwortern, die ein ähnliches Parkraummanagement einführen wollen, durch Wissen über die Minderung von Parkproblemen und fundierte politische Argumente[4]

7 Städte in Europa beteiligt

Das Projekt umfasst die Einführung eines Parkraum- und Mobilitätsmanagements in sieben Städten und einer Universität. In allen Fällen wird das mit dem Parkmanagement erwirtschaftete Geld zur Finanzierung nachhaltiger Mobilität genutzt.

Die beteiligten Städte sind Gent in Belgien, Krakau in Polen, Bacău und Iași in Rumänien, Tarragona in Spanien,  Örebro in Schweden und Nottingham in Großbritannien, außerdem die Universität von Ljubljana in Slowenien.

Unsere Einschätzung (nach Durchsicht des Endberichts)

Push:  

Parkraumbewirtschaftung einführen

Die verkehrspolitisch eher am Anfang einer Entwicklung hin zur Verkehrswende stehenden Städte wie Bacău, Jasi, Krakau und Tarragona konzentrieren sich entweder darauf, überhaupt eine Parkraumbewirtschaftung in der Innenstadt einzuführen (Iași) oder sie auszuweiten (alle anderen). Dabei sieht es so aus, als ob Tarragona hier am weitesten voran gekommen ist.  Nottingham agiert mit einer Abgabe auf Parkplätze auf dem Gelände von Unternehmen in Höhe von 379 Pfund (2017) pro Platz und Jahr, die die Unternehmen zahlen müssen (Workplace Parking Levy). Die Universität von Ljubljana konzentriert sich lediglich auf die Transportschemata ihrer Beschäftigten: Parkplätze müssen jetzt bezahlt werden.

Stellplatzverordnung ändern  und Anwohnerparken optimieren

Örebro und Gent wiederum ändern ihre Stellplatzverordnungen. Dabei geht es durchweg um Neubauvorhaben. So lässt Örebro nur einen Quotienten von 0,5 (Stellplätze) pro Wohnung zu. Die Stadt fordert bei Neubauten ein Paket an Alternativ-Angeboten zum Auto wie Car Sharing und Fahrradparkplätze.

Gent lässt keinerlei Parkplätze auf Neubau-Grundstücken im Zentrum zu. Außerdem erteilt Gent keine Parkgenehmigungen auf öffentlichem Grund für AnwohnerInnen, die auf ihrem Neubaugelände bereits eigene Parkplätze haben. Zudem ordnet Gent sein Anwohnerparken neu und hat die Zonen digitalisiert, in denen bereits Parkraummanagement betrieben wird.


Fahrradparken in Gent

Pull:

 Marketing für den Umweltverbund

Nottingham, Krakau, Iași und die Universität von Ljubljana stecken offenbar den größten Teil der Einnahmen in das Marketing für den Umweltverbund.

Mehr für ÖPNV, Radwege, Fahrradstellplätze, Pedelecs, Car Sharing

Tarragona fördert seinen ÖPNV und den Fußverkehr. Bacău bemüht sich immerhin um Fahrradinfrastruktur, indem es Radspuren auf Hauptstraßen anlegt. Und es wird ein Studententicket für den ÖPNV geben (was erfahrungsgemäß den Radverkehr nicht fördert). Gent, Örebro und auch Krakau kümmern sich intensiv um das Thema Parkplätze für Fahrräder. So hat Gent neue Richtlinien erlassen, nach denen in Zukunft mindestens 100m von jeder Haustür entfernt Fahrradparkplätze für die EinwohnerInnen zur Verfügung stehen müssen. Auch Örebro hat neue Richtlinien erlassen, und Krakau hat angekündigt, 1000 neue Fahrradstellplätze zu bauen. Ansonsten hat Örebro eine Kampagne für innovative alternative Strategien zur Verkehrswende gestartet: Pedelecs, Car Sharing, Fahrradfahren im Winter und eine Fahrradschule für Erwachsene.[5]


Fußweg in Bremen

 Was kann Bremen hiervon lernen?

Nicht viel? Oder vielleicht doch etwas?

Ja, doch, Bremen könnte seine hervorragenden Ressourcen endlich aktiver nutzen:

14.000 NutzerInnen des CarSharing: Tendenz steigend, Stationen werden ausgebaut.

25% aller Wege wurden 2008 auf dem Rad zurück gelegt: Tendenz fallend. 2013 waren es nur noch 23%.

700 km Radwege: Tendenz verfallend, da zu wenig investiert wird

14% Anteil ÖPNV bei einem flächendeckenden ÖV-Angebot bis ins Umland: Tendenz hoffentlich steigend, es wird investiert.

Aber: 80.000 von rund 120.000 PendlerInnen fahren jeden Tag mit dem Auto nach Bremen rein. Es gibt ja überall freie Parkplätze.

Und wir haben in Bremen immer noch einen Anteil von rund 40% des motorisierten Verkehrs, der wie ein monolithischer Block die Weiterentwicklung der Verkehrswende behindert. (VEP, S. 31) Damit sind wir an diesem Punkt nicht besser als bspw. Düsseldorf oder Leipzig – trotz unseres hohen Fahrradanteils.

Mehr als 7 Millionen Kilometer pro Tag werden in Bremen mit dem „motorisierten Individualverkehr“ (MIV), sprich: Auto gefahren (Vgl. BUND Landesverband Bremen (Hrsg.): Mobilität für alle – statt Vorfahrt für Benzinkutschen, Bremen 2011).

39% aller BremerInnen sind FahrradstammnutzerInnen, die täglich Fahrrad fahren, aber laut VEP haben wir ein weiteres Potenzial von rund 34% der BremerInnen, die ihr Fahrrad auch täglich nutzen könnten. Denn bis zu 80% aller Wege in Bremen sind kürzer als 10 Km und 66% kürzer als 5 Km.

Trotzdem benutzen immerhin 26% der BremerInnen ihr Auto bei Fahrten unter 2 Km, 42% steigen auch bei Fahrten unter 5 Km ins Auto, und bei Fahrten zwischen 5 und 10 Km liegt der Anteil des MIV bei dramatischen 57%. (Vgl. VEP, S.33f)

Eine laxe Parkpolitik vernachlässigt die Bremer Chancen

Da muss sich was ändern, auch Bremen sollte puschen und pullen und zwar nachhaltig. Einen ersten Ansatz bietet die konzertierte Aktion der vier Umweltverbände BUND, ADFC, VCD und FUSS e.V. zur flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung in Bremen. Der Bremer Verkehrssenator hat Verbündete, andere PolitikerInnen in anderen Städten können davon nur träumen.

Letzte Meldung: Der amtierende Verkehrssenator hat mitgeteilt, dass er nach der Wahl in 2019 für Bremen nicht mehr zur Verfügung steht.

Und: Am 13.9.2018 gibt es hierzu eine Veranstaltung in Bremen

[1] Es gibt auch eine deutsche Version: push & pull, 16 gute Gründe für Parkraummanagement, Januar 2015

[2] Der Endbericht zu diesem Projekt findet sich hier Push&Pull Downloads

[3] Vgl. Push&Pull: 16 gute Gründe für Parkraummanagement, Januar 2015, S. 3, abrufbar hier: Push&Pull Downloads

[4] Zitiert nach: push & pull, 16 gute Gründe für Parkraummanagement, Januar 2015, S. 2

[5] Vgl. im Einzelnen den auf dieser Webseite abrufbaren Endbericht: Push&Pull Downloads

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