Car Sharing in Bremen, was bringt uns das?

Es reicht! Immer mehr Autos auf den Straßen, immer weniger Platz für die StadtbewohnerInnen. Ein Ausweg aus der Misere kann da die Nutzung von CarSharing sein. Wenn sich mehrere Personen ein Auto teilen, werden weniger Autos gebraucht und parken weniger Autos ungenutzt den öffentlichen Straßenraum voll.

Im Land Bremen nutzen fast 15.000 Menschen Cambio, ein stationsgebundenes CarSharing-Angebot, das vor rund 30 Jahren mit dem privaten Verein „Stadtauto“ begann.

 

Cambio Auto vor 16 Jahren (2002)

Derzeit (Mai 2018) betreibt cambio Bremen 331 CarSharing-Fahrzeuge für 14.800 KundInnen an 91 Stationen in Bremen und Bremerhaven.

Wir haben uns mit Jutta Kirsch von cambio Bremen darüber unterhalten, mit welchen Herausforderungen ein CarSharing-Anbieter so zu kämpfen hat. Am meisten interessierte uns natürlich, warum CarSharing gut für uns und unsere Stadt ist.

Wie hoch ist der Anteil öffentlicher Stellplätze im Verhältnis zu privaten Stellplätzen für Cambio?

Momentan liegen 30% der cambio-Stationen auf öffentlichem Grund. Auch die Anzahl der Stellplätze liegt bei 30% im öffentlichen Raum. Das heißt, dass ein mobil.punkt im Durchschnitt genauso groß ist wie eine cambio-Station auf privatem Grund. Von 10 Autos parken also 7 auf privat angemieteten Plätzen.

So funktioniert CarSharing

Warum gibt es überhaupt Stellplätze im öffentlichen Raum?

Das ist eine ganz wichtige Möglichkeit, CarSharing ganz grundsätzlich voranzubringen. Denn gerade in den Quartieren, in denen CarSharing gut etabliert ist und noch große Entwicklungschancen hat, gibt es extrem wenig private Flächen, die wir anmieten können. Da beißt sich die Katze in den Schwanz, denn das sind die Viertel, die am meisten unter dem Parkdruck leiden und deshalb CarSharing am Nötigsten haben.

Außerdem sind die Autos auf öffentlichen Flächen, vor allem am Straßenrand gut sichtbar und leicht zugänglich. Das erhöht die Wahrnehmung und weckt Neugier bei denen, die es noch nicht nutzen und ist bequem für die, die schon dabei sind. In irgendwelchen Hinterhofgaragen oder Parkhäusern sind die Autos einfach schwer erreichbar.


Mobilpunkt im hoch verdichteten Bremer Steintor, zwei Cambio-Autos können hier 40 Privatwagen ersetzen.

Welche Auswirkungen hat CarSharing eigentlich auf den ruhenden Verkehr. Gibt es da Zahlen?

In einer Kundenbefragung vom letzten Sommer kam heraus, dass jedes bremische cambio-Auto 13 Private ersetzt, weil diese entweder abgeschafft oder gar nicht erst angeschafft wurden. Damit haben wir in Bremen schon über 4000 private Pkw durch 310 Geteilte ersetzt. Von Stadtteil zu Stadtteil variieren diese Ergebnisse, das hat 2016 eine Studie von infas ergeben, die in verschiedenen Städten vor allem die Quartiere untersuchte, in denen es schon lange ein gut ausgebautes CarSharing-Netz gibt. Hier lag die Quote bei bis zu 20 ersetzten Privat-Pkw pro CarSharing-Auto. Das zeigt, wieviel Luft wir in anderen Stadtteilen noch nach oben haben!

In den Außenbezirken sieht es ja leider noch etwas mau mit Stationen aus. Nach welchen Kriterien geht der Ausbau des Stationsnetzes vonstatten?

Wir verfolgen eine Strategie, bei der wir 1.) bestehende Stationen durch Hinzumieten von weiteren Stellplätzen vergrößern, 2.) das Stationsnetz in gut etablierten Quartieren durch neue Stationen verdichten und 3.) neue Stadtteile, die weiter außerhalb liegen, erschließen. Die Mischung ist wichtig, denn neue Stationen in Außenbezirken brauchen recht lange, um sich wirtschaftlich zu tragen. Bis es soweit ist, werden sie von den profitablen Stationen in Zentrumsnähe mitfinanziert. Da muss die Balance natürlich stimmen. In den letzten Jahren haben wir in der Vahr, in Woltmershausen und in Kattenturm neu begonnen und die Lücke zwischen Horn und Borgfeld geschlossen. Zurzeit sind wir auf der Suche in Bremerhaven, Bremen-Nord, Huchting und der Überseestadt. Wir hoffen, dass das alles noch in diesem Jahr klappt, aber sicher sind wir da nicht.

Neue Station im Außenbezirk Kattenturm

Wie erklären Sie sich, dass es immer noch Leute gibt, die unbedingt ihr eigenes Auto haben wollen, obwohl sie es höchstens ein- oder zweimal die Woche nutzen? Diese Autos stehen doch nur herum?

Wenn Geld keine Rolle spielt, man in der eigenen Straße noch ganz gut einen Parkplatz findet und ein Auto hat, das technisch keinen Ärger macht, ist es ja immer noch sehr bequem und flexibel, jederzeit einsteigen zu können. Dann hat man seine Lieblings-CD schon eingelegt und im Kofferraum die Picknick-Decke – oder was man sonst so gerne unterwegs nutzt.

Bei vielen, vor allem jungen Leuten ändert sich diese Gewohnheit aber. Einige kennen CarSharing schon seit der Kindheit, weil die Eltern sich zu diesem Schritt entschieden haben. Für sie spielt ein eigenes Auto keine zentrale Rolle mehr.


Der Schlüssel zum Auto: Eine Chipkarte

Was würde es Leuten erleichtern, ihr Auto zu verkaufen? Welche Vorteile habe ich, wenn ich zum CarSharing wechsele, gegenüber dem Besitz eines privaten Autos?

Wenn Sie ohne eigenes Auto leben, sparen Sie eine Menge Geld und Zeit. Sie müssen nicht zum TÜV, in die Waschanlage, die Winterreifen wechseln, Versicherung zahlen und den Wagen zur Inspektion bringen. Dafür haben Sie einen garantierten Parkplatz, der immer frei ist, wenn Sie zurückkommen. Bei vielen Kunden, die in unserem Büro einen cambio-Vertrag abschließen, hört man den Stein fallen, der ihnen vom Herzen fällt, weil sie diesen Ballast abgeworfen haben.

Wichtig ist es natürlich, ein zuverlässiges CarSharing-Angebot mit schnell erreichbaren Stationen zu haben.  Ein gutes ÖPNV-Angebot und idealerweise auch die Möglichkeit, viele Ziele mit dem Rad erreichen zu können, hilft auch sehr. Das alles spielt in Bremen gut zusammen.

Warum bietet Cambio neben dem stationsgebundenen CarSharing nicht auch das so genannte Free Floating an?

Das hat viel mit Logistik zu tun, natürlich auch mit Kosten und damit, dass wir vor allem eine gute Alternative zum eigenen Auto anbieten möchten. Um ein funktionierendes Free Floating zu etablieren, braucht es eine hohe Dichte an Autos. Denn als Nutzer will man nicht nur ab und zu einen Zufallstreffer landen, sondern mit einer akzeptablen Verlässlichkeit ein Auto genau dort vorfinden, wo man es braucht, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, an dem man es braucht.


Station im Außenbezirk Woltmershausen

Um diese Dichte zu erreichen, beschränken sich die Free Floating-Anbieter einerseits auf ein einziges Fahrzeugmodell, andererseits muss dieses immer in einem eng definierten Geschäftsgebiet zurückgegeben werden. Und während der ganzen Nutzung läuft die Kostenuhr im Minutentakt – wie beim Taxi. Transporte, Urlaubsfahrten, Familien, die einen Kindersitz benötigen oder der entspannte Besuch bei Freunden auf dem Land fallen da per se raus. Das stationsgebundene CarSharing ist aus unserer Sicht einfach verlässlicher, vielfältiger und die bessere Alternative zum privat-Pkw.

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Cambio hat für uns die Vergleichsrechnung gemacht: „Wenn Sie mit einem cambio-Auto der Preisklasse S (also einem Ford Fiesta) unterwegs sind, zahlen Sie für eine Stunde und 10 Kilometer im Basis-Tarif (ohne monatliche Grundgebühr) 5,40€. Ein car2go-Auto kostet für denselben Zeitraum 15,60€. Bei Minutenpreisen von 0,26€ ist es natürlich ärgerlich, wenn man dann zum dritten Mal um den Block fahren muss, weil kein Parkplatz zur Rückgabe frei ist.“

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Cambio E-Car-Sharing in der Birkenstraße in Bremen.

 Wann stellen Sie ihre Flotte insgesamt auf elektrisch betriebene Fahrzeuge um?

Sobald sich jemand findet, der die Mehrkosten trägt! Unser Preissystem gibt das nicht her, und die Kunden sind nicht bereit, für ein E-Auto mehr zu zahlen als für ein Konventionelles. Weil wir gesund wirtschaften wollen, bieten wir E-Autos deshalb nur in Kooperation mit Partnern an, die die Ladeinfrastruktur stellen. Das ist uns in Bremen bislang mit der swb an vier Stationen gelungen. Hier kann jeder Kunde ganz niedrigschwellig den E-Zoe von Renault kennen- und lieben lernen. Die Rückmeldungen sind sehr positiv.

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Wer weiter lesen möchte: Inzwischen gibt es ein Gutachten zum CarSharing in Bremen

Und ich habe über meine eigenen Erfahrungen mit Cambio geschrieben.

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